Archive for the ‘Uncategorized’ Category

In Zeiten großer Getriebenheit und großer Spannungen beobachte ich häufig die Würde verletzende Dynamiken, denen man mit größter Entschiedenheit entgegentreten muss. Niemand könnte uns unsere Würde nehmen, sie ist ein konstituierendes Element unseres Menschseins, alles Lebendigen schlechthin. Aber wir haben es im Laufe der Menschheitsgeschichte zu einer Meisterschaft gebracht, durch indirekte Angriffe auf die Würde, durch Etablierung spezieller Statusmerkmale, Erfolgskriterien und Klassifizierungen unserer Mitmenschen einer Systematik zu folgen, die diese uns allen in gleicher Weise innewohnende Würde zu verschleiern sucht.

Das besonders Unheilvolle dieser Dynamik: Wir gehen so weit, sie nicht nur auf unsere Mitmenschen anzuwenden (was schon schlimm genug ist!) sondern haben sie manchmal so weit verinnerlicht, dass wir uns ihr auch in Bezug auf uns selbst unterwerfen und den Blick auf unsere unantastbare Würde verstellen.

Der erste Schritt des Widerstandes scheint mir hier das Erkennen zu sein. Das Innehalten im entscheidenden Moment um zu sehen und zu sagen: Jetzt gerade passiert es – und es darf nicht sein. Denn genau so ist es: es darf nicht sein!

Ich finde es besonders tragisch, wenn ich Menschen in Bedrängnis sehe weil sie in ihrer Würde bedrängt werden. Wenn ihr Sein gleichsam auf dem Prüfstand steht. Ist nicht genau das der entscheidende Punkt? Das Sein, das Dasein, das Leben eines Menschen und all seiner Mitgeschöpfe entzieht sich jeder Bewertung oder Evaluierung! Die Ehrfurcht vor dem Leben verbietet genau das. Wie schlimm, wenn in einem Menschen der Gedanke keimt: Es ist nicht gut, dass es mich gibt. Ich bin nicht gut. Ich sollte nicht sein. Und als Ausdruck höchster Beschämung versteckt er sich – oder jedenfalls sein Selbst – und entzieht sich so der Welt.

Der Begriff der Scham führt mich dann auch zur Frage der Integrität, die wohl unsere beste Waffe in der Abwehr würdeverletzender Angriffe ist. Ist unsere Integrität intakt, führt uns das zu einer starken Position der inneren Selbstgewissheit und damit zum besten Anwalt unserer selbst. Falsches Verhalten schwächt unsere Position und führt uns auf dünnes Eis. Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie ein Mensch auf Eis geht – noch dazu auf dünnem – sehen wir einen verunsicherten Gang, ein ständiges Balancieren um nicht zu fallen, eine Karikatur in Bewegung. Auf einen solchen Menschen lässt sich leicht mit dem Finger zeigen und sagen: Schaut ihn euch an.

Aber eine verletzte Integrität lässt sich wieder heilen. In der biblischen Geschichte der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies wird das wunderbar beschrieben. Adam und Eva verstoßen gegen Gottes Gebot und machen sich schuldig. Sie verlieren dadurch ihre Integrität und plötzlich schämen sie sich. Sie verstecken sich, weil sie ihre Nacktheit erkennen. Die schuldhafte Tat wird generalisiert und sie meinen, als Mensch insgesamt nicht mehr gut zu sein – sie empfinden sich als entwürdigt und verwerfen sich selbst. Gott verwirft sie nicht, er macht sich auf die Suche nach ihnen. Adam, wo bist Du? In dieser Ansprache zeigt sich Gottes Fürsorge. Diese Fürsorge gipfelt am Ende darin, dass Gott Adam und Eva bekleidet und damit ihre Integrität wieder herstellt. Ihre Würde als Menschen – als Gottes Geschöpfe – ist in dieser Geschichte nur in dem Ausmaß betroffen, als Adam und Eva selbst sie aus dem Blick verlieren.

Die Würde alles Lebendigen ist also nicht verhandelbar, nicht modifizierbar nicht skalierbar. Wenn es etwas gibt, worum wir besorgt sein und uns kümmern sollten, dann ist es Integrität. Unsere eigene Integrität durch eine gute Ordnung zu schützen und Menschen, deren Integrität wir verletzt sehen, zu stützen scheint mir der richtige Ansatz zu sein, um aufrecht und stark gemeinsam im Leben zu stehen.

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Wir haben seit Jahren eine tolle Kaffeemaschine. Auf Knopfdruck kriegen wir kleinen oder großen Mokka, kleinen oder großen Verlängerten und seit unserem letzten Italienurlaub nutzen wir auch noch die Cappuccinofunktion und sind begeistert! Und nun – wie aus dem Nichts – verweigert die Maschine uns den Dienst. Wir werden sie wohl heute oder morgen zur Reparatur bringen.

Das Ganze bringt einen charmanten Nebeneffekt mit sich: Seit ein paar Tagen koche ich wieder Kaffee. Mit einem Filterhalter und dem Wasserkocher. Ich koche Kaffee. Ich brühe Kaffee. Mir fällt Kommissar Wallander ein, den der Autor Henning Mankell immer wieder mal einen Kaffee kochen lässt. Das hat so etwas Tätiges. Gegenwärtiges.  Einer Sache, die üblicherweise nebenbei mitgeht, wird nun Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zuteil. Und ja – ich genieße das. Wo ich doch immer auf der Suche nach Gegenwärtigkeit bin, finde ich sie nun ganz unvermutet in einem Häferlkaffee. Welche Ironie!

Ich hätte trotzdem gern meine Kaffeemaschine zurück. Aber die Erfahrung – und ist sie auch noch so bescheiden – werde ich mir bewahren, dass man Zufriedenheit in der Kaffeezubereitung finden kann.

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Seit Jahren höre ich nun schon regelmäßig das „Tagebuch eines Pfarrers“ – ein sehr inspirierender, tiefgehender, persönlicher Podcast von Hans Spiegl, Pfarrer in Mistelbach und Laa/Thaya in Niederösterreich. Dieser Podcast ist für mich das, was ich als „Salz der Erde“ verstehe oder als den Sauerteig, der die Welt durchwirkt, damit sie ein bisschen besser, friedlicher, verantworungsbewusster und ja – auch christlicher – werden kann.

Und ich fühle mich auch ein wenig „angesteckt“ von Pfarrer Spiegl. Er ist evangelischer Christ, ich bin katholisch – was bedeutet, dass uns tausendmal mehr verbindet als trennt.

Was mich am „Tagebuch eines Pfarres“ fasziniert und bewegt ist die Beständigkeit, mit der Pfarrer Spiegl seine Weltsicht darlegt, der volle Brunnen, aus dem er zu schöpfen scheint, wenn er kleine oder große Probleme bespricht, die Unerschrockenheit, mit der er manchmal seine Meinung ändert aus Respekt vor dem Richtigen und ohne Sorge, es könnte ihm ein Stein aus der Krone fallen. Ein ganz „normaler“ Christ halt und damit ein recht seltenes Exemplar aus Gottes großem Tiergarten und – ohne allzu pathetisch wirken zu wollen – ein Vorbild.

Jetzt möchte ich ihn ein wenig nachahmen in seinem Tun, ohne aufdringlich sein zu wollen. Aber welchen Nutzen hätten denn Vorbilder, würde man sie nicht auch nachahmen – wenigstens in den Dingen, die einem als gut und richtig erscheinen. Es ist ein Experiment, von dem ich nicht weiß, wie es enden wird. Vielleicht geht mir ja recht bald der „Stoff“ aus – erscheint mir eher unwahrscheinlich. Vielleicht stelle ich nach einem Jahr fest, dass ich einen engagierten Monolog geführt habe. Vielleicht entsteht aber auch irgend etwas, einfach weil es Menschen gibt, die den Dialog lieben, die auf der Suche sind und nicht alleine suchen wollen. Ich schau einfach einmal…

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